Bikefitting bei Dan Miessen

Ich war gestern zum »Bikefitting« bei Dan Miessen in Barsinghausen bei Hannover. Falls du kein Fahrrad-Insider bist: wörtlich übersetzt bedeutet Bikefitting »Fahrradanpassung« und zwar an die individuelle Anatomie und Fahrweise des Fahrers, um Probleme wie Schmerzen, Taubheitsgefühle oder Gelenküberlastungen zu verhindern. 

Wenn dir beim Radeln nie der Hintern weh tut, deine Hände nicht einschlafen, dein Rücken und Nacken stets entspannt bleiben, deine Knie nicht schmerzen und auch deine Füße klaglos pedalieren, insbesondere wenn du mehrere Stunden im Sattel sitzt, dann brauchst du vermutlich kein Bikefitting. Es sei denn, du möchtest deine Fahrleistung verbessern und jedes Watt effizient in Vortrieb umsetzen, weil du z.B. an Wettkämpfen teilnimmst. Dann lohnt sich eventuell auch für dich ein professionelles Bikefitting.

Mir bereiten Streckenlängen bis ca. 100 km, wo ich 4-5 Stunden im Sattel sitze, keine Probleme. Jenseits der 5 Stunden verspannen sich mein oberer Rücken und Nacken, manchmal werden meine Füße heiß und tun weh, zudem werden hin und wieder die Fingerspitzen taub. Es kam sogar schon vor, dass solche Taubheitsgefühle erst nach 3-4 Monaten wieder komplett verschwunden waren.   

Nach den letzten zwei Jahren mit sehr wenigen Fahrradkilometern möchte ich wieder lange Strecken in Angriff nehmen und zwar so entspannt und schmerzfrei wie möglich. Deshalb war ich gestern mit meinem neuen Orbea Terra bei Dan. Auf ihn aufmerksam wurde ich durch YouTube. In dem Video (ab 3:09:xx h) kommt er zu seiner neuen Zukunft als Bikefitter zu Wort.

In seinem Wohnhaus in Barsinghausen hat Dan vor kurzem die komplette untere Etage liebevoll als Bikefitting-Studio eingerichtet. Mit strahlendem Lächeln öffnete er mir gestern Morgen die Tür und bat mich hinein. Wow, welch ein Ambiente! Sofort stachen mir die drei wunderschönen Vintage Rennräder ins Auge. Sie sind zur Dekoration an den weißen Wänden aufgehängt. Das Studio ist hell, geräumig, clean und mit allem ausgestattet, was man beim Bikefitting braucht: Sättel, Lenker, Radschuhe, Messeinrichtungen etc. und eine Massageliege, wie sie Physiotherapeuten verwenden.   

Nach kurzem Plaudern, wer wir sind und was wir so machen, ging’s ans Eingemachte. Zunächst erhielt ich einen fürs Radfahren spezifischen Grundkurs in Anatomie. Anschaulich erklärte mir Dan an Wirbelsäulen- und Fußmodellen, worauf es ankommt, wenn Radfahren langfristig ein schmerzfreies Vergnügen sein soll. Denn eigentlich sind wir von Natur aus nicht fürs Sitzen gemacht. Vor dem eigentlichen Fitting ist zunächst eine Beweglichkeitsanalyse erforderlich. Hier werden anatomische Schwachstellen und Einschränkungen ermittelt, die bei der Radeinstellung zu berücksichtigen sind. Das Kurzvideo zeigt, wie weit ich mein Becken nach vorn kippen und den Oberkörper beugen kann, ohne das mein unterer Rücken „rund“ wird. Daraus leitet sich ab, mit welcher Sattelüberhöhung ich fahren darf, ohne meinen unteren Rücken zu überlasten. Dan hat mit mir noch weitere Beweglichkeitsübungen durchgeführt. Deren Erläuterung würde aber hier den Rahmen sprengen. 

Meine Beweglichkeit ist in Summe gut, allerdings gibt es Verbesserungspotential. Mal sehen, ob ich mich dazu aufraffen kann, die entsprechenden Stabi-/Dehnübungen durchzuführen. Nach dieser Prozedur erfolgte das eigentliche Fitting.

Dazu spannte Dan mein Orbea in eine Rolle ein, verkabelte mich an allen Gelenken mit Sensoren, überprüfte anhand meiner Schulterbreite die Lenkerbreite und erläuterte mir die ergonomisch optimalen Griffpositionen am Rennlenker. Meine einzige Aufgabe war es, auf Kommando ein paar Umdrehungen zu kurbeln und wieder zu stoppen. Währenddessen konnte ich in „real time“ am Bildschirm meine Bewegungen als pedalierendes “Strichmännchen” mit den zugehörigen Messdaten mitverfolgen. In mehreren Durchgängen ermittelte Dan die optimale Sattelhöhe sowie die optimale Sattelposition und Sitzposition. Abschließend wurde noch der Satteldruck mit einer speziellen Folie ermittelt. Insgesamt dauerte das Fitting 3 Stunden, die nette Plauderei zwischendurch und zum Abschied mitgerechnet. 

Fazit : Das Orbea Terra in Größe M passt perfekt zu meinen Körperproportionen, was nicht selbstverständlich ist. Dan hat schon Fittings durchgeführt und vorzeitig abbrechen müssen, weil das mitgebrachte Rad nicht auf die zu fittende Person einstellbar war. Mit den vor Ort durchgeführten Einstellungen und den – aus den Messungen abgeleiteten – Empfehlungen für weitere Anpassungen am Lenker, sollten lange Radtouren mit Schmerzen und Verspannungen der Vergangenheit angehören. Ich bin gespannt, ob sich das bewahrheitet! Unabhängig davon hat mir das Fitting viel Spaß gemacht, ich habe wieder einiges hinzugelernt und vor allem diesen äußerst sympathischen und kompetenten YouTuber endlich persönlich kennengelernt.

Herzlichen Dank Dan und viel Erfolg mit deinem neu gegründeten Unternehmen! 

Ergänzung für meine aufmerksamen Blogleser:
Wenn du meinem Blog schon länger folgst und dich an diesen Beitrag erinnerst, könntest du jetzt fragen: »hast du dir nicht genau für diesen Zweck ein Liegerad angeschafft?«. Das ist korrekt! Seit zweieinhalb Jahren fahre ich nun Liegerad und poste darüber in den sozialen Medien unter dem Hashtag »Liegeradfahren macht glücklich« (#liegeradfahrenmachtglücklich). Was ich (der Öffentlichkeit) bisher verschwiegen habe, ist, dass ich mittlerweile eine »Hassliebe« zu meinem Liegerad entwickelt habe. Ich liebe es, damit flache Strecken und bergab zu fahren. Aber ich hasse es, mich bergauf im Liegen zu quälen (äußerst anstrengend und langsam). In solchen Momenten habe ich schon mehrmals darüber nachgedacht, meine »Liege« wieder zu verkaufen. Aber so weit bin ich noch nicht! Sollten sich durch das Bikefitting mit dem UP (Aufrechtfahrrad) die Langstreckenbeschwerden in Luft auflösen, kann ich mich immer noch anders entscheiden. Und am Ende werde ich mich vermutlich doch nicht von diesem wunderbaren Alpentourer trennen. 

Ein Kommentar

  1. Vielen Dank, für Deinen tollen Erfahrungsbericht. Mir schwebt ebenfalls ein Besuch, beim Dan vor, das Thema ist ja wirklich wichtig, gesundheitlich und zwecks Freude am fahren.

    Schön wie gesagt, darüber mal etwas lesen zu können, auch wenn ich Dan im Podcast schon sehr vermisse :-/ *jetzt kann Ingo, ungehindert das Sch…. Wort sagen im Podcast, ohne von Dan gerügt zu werden ^^

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